Argumentationsanalyse

Wie das Analysieren von Argumenten beim Schreiben hilft: 8 Maximen für das Verfassen von gut strukturierten Texten #

Nehmen wir an: Sie haben ein Argument oder eine komplexe Argumentation analysiert und stehen nun vor der Aufgabe, einen Text (einen Essay, einen Bericht, eine Hausarbeit, eine Stellungnahme) auf Grundlage Ihrer Rekonstruktion zu schreiben. Wie macht man das?

Die folgenden Maximen geben Ihnen dazu erste Hinweise. Wenn Sie wenig Schreiberfahrung haben, können Sie die Maximen als Kochrezept verwenden, um Schritt für Schritt einen Text zu komponieren. (Als ergänzende und vertiefende Lektüre empfehle ich: Jay Rosenberg, 2009, Philosophieren. Ein Handbuch für Anfänger, Klostermann, Frankfurt a.M. [bei genialokal])

Maxime 1: Sichten, sortieren und ergänzen Sie das Material (Analyseergebnisse und Notizen), auf dem Sie beim Schreiben aufbauen.

Sie fangen nicht bei Null an. Stattdessen liegt Ihnen bereits viel Material vor, auf das Sie beim Verfassen Ihres Textes zurückgreifen können und sollten. Dazu gehört etwa:

  1. der oder die Quelltext/e, die Sie analysiert und interpretiert haben,
  2. eine Begründungszusammenfassung, die den Grundgedanken des analysierten Arguments kurz und bündig benennt,
  3. eine Argumentkarte, die die analysierten Argumente zueinander in Beziehung setzt und in einen größeren Kontext einordnet,
  4. eine (oder mehrere alternative) Detail-Rekonstruktionen der Begründung als deduktiv gültiges Argument,
  5. die (ggf. auch nur stichpunktartige) Kritik an dem rekonstruierten Argument

Sichten Sie diese ganz wichtigen Vorarbeiten und ergänzen Sie sie wann immer notwendig, auch im Zuge der weiteren Arbeitsschritte.

Maxime 2: Machen Sie sich klar und halten Sie schriftlich fest, was die Zielsetzung Ihres Textes ist.

Auf welche Frage antwortet der Text? Formulieren Sie eine eigene (steile oder differenzierte, mutige oder vorsichtige) These, die Sie -- als Antwort auf die Frage -- in dem Essay vertreten. Halten Sie Frage und Antwort schriftlich fest und passen Sie auch diese Notiz um weiteren Schreibprozess Ihrem gedanklichen Fortschritt an.

Maxime 3: Machen Sie sich klar, ob Sie nur eine exegetische oder auch eine systematische These vertreten.

In einem Text nehmen Sie Stellung. Sie schreiben den Text mit einem Ziel. Dabei lässt sich -- analog zu den zwei Zielen der Argumentationsanalyse -- zunächst ganz allgemein unterscheiden:

  1. Sie können den Text in systematischer Absicht schreiben und sich zur Sache äußern. Sie beziehen selbst in der analysierten Debatte Stellung, d.h. vertreten eine These, akzeptieren Argumente, weisen andere zurück.
  2. Sie können den Text in exegetischer Absicht schreiben und sich nur als Interpret:in über die Debatte äußern. Sie beziehen auf der argumentationstheroetischen Metaebene Stellung, etwa indem Sie den Begründungsgang klären, Alternativinterpretationen vorstellen, auf Unklarheiten hinweisen -- aber Sie argumentieren nicht für Ihre eigene Position.

Man kann argumentationstheoretisch Stellung beziehen, ohne inhaltlich Farbe
zu bekennen. Wer aber inhaltlich Stellung bezieht, also eine bestimmte Position in der Debatte vertritt und verteidigt, der sollte dies auf Grund einer Interpretation und Analyse der Debatte tun und muss deshalb immer auch in exegetischer Hinsicht Stellung beziehen.

Maxime 4: Mit einer exegetischen Thesen stellen Sie aufgrund Ihrer Analyse des Quelltextes eine argumentationstheoretische Diagnose.

Von welcher Art können solche argumentationstheoretische Diagnosen sein? Aufgrund Ihrer Rekonstruktionen können Sie zum Beispiel diagnostizieren:

Maxime 5: Die Struktur des Textes ergibt sich aus seiner Zielsetzung.

Das Ziel, das Sie mit Ihrem Text verfolgen, legt bereits zu großen Teilen einen bestimmten Aufbau Ihres Textes nahe. Nehmen Sie an, sie wollten ein Argument kritisieren und nachweisen, dass es seine Konklusion nicht stichhaltig begründet. Um dies zu tun, sollten Sie natürlich erstens das Argument darstellen und zweitens die Kritik an dem Argument vortragen, bevor Sie drittens Ihren Schluss ziehen und die Überlegung zusammenfassen. Stellen Sie diesen drei Schritten noch eine obligatorische Einleitung vorweg, besitzen Sie bereits die (oder: eine mögliche) Gliederung Ihres Texts!

Maxime 6: Nutzen Sie Ihre Vorarbeiten, um eine zweckmäßige Gesamtstruktur des Essays zu entwickeln. Erstellen Sie so eine Grobgliederung des Textes.

Folgende schematische Grobgliederungen illustrieren, wie sich die Ergebnisse der Argumentationsanalyse nutzen lassen, um Text -- mit Blick auf ihre Zielsetzung -- sinnvoll zu gliedern.

Texte, die die Frage beantworten, ob eine Begründung stichhaltig ist oder nicht, lassen sich beispielsweise wir folgt gliedern (Gliederungen A-C):

Ein Text, der zwei Alternativrekonstruktionen vergleicht und bewertet, könnte indes wir folgt aufgebaut werden:

Maxime 7: Nutzen Sie Ihre Vorarbeiten, um die einzelnen Abschnitte des Textes absatzweise sinnvoll aufzubauen. Erstellen Sie so eine Detailgliederung des Textes.

Die Zusammenfassung von Begründungsgängen, Detailrekonstruktionen und Kritik können auch helfen, einzelne Abschnitte Ihres Textes stimmig zu gliedern. Abschnitte, in denen ein Argument A präsentiert wird, können etwa wie folgt aufgebaut werden:

Einen Abschnitt, der ein bereits präsentiertes Argument kritisiert, können Sie beispielsweise wie folgt gliedern:

Einen Abschnitt, der zwei zuvor vorgestellte Alternativrekonstruktionen vergleicht, könnte etwa so aufgebaut sein:

Maxime 8: Die Detailgliederung ist ein Fahrplan, an dem Sie sich beim Verfassen des Textes nun orientieren können. Häufig gewinnt man beim Schreiben neue Einsichten. Überdenken Sie dann die Rekonstruktion sowie die Detailgliederung und passen Sie diese fortlaufend an.