Argumentationsanalyse

Tafel 2.13: Gründehierarchie, die die dialektische Struktur der Textpassagen 3.2.3–3.2.4 skizziert

Kapitel 2 Gründehierarchie
<Argument geistiger Vervollkommnung>
    <- <Erkenntnis durch Belehrung>: Man kann die Gründe seiner
      Meinung sehr wohl ohne freie Diskussion einsehen, nämlich
      indem man über die relevanten Gründe belehrt wird.
        <+ <Geometrie>: Man erwirbt Wissen über geometrische
          Sachverhalte, indem man die Beweise studiert, ohne eine
          Gegenposition frei und kontrovers zu diskutieren.
            <- <Sonderfall Mathematik>: Bei der Mathematik handelt
              es sich um einen Sonderfall, insofern es praktisch
              keine Einwände, sondern nur Beweise gibt. Bereits in
              den Naturwissenschaften muss man Pro- und Kontra-
              Gründe zur Kenntnis nehmen und abwägen; erst recht
              gilt dies für jede praktische Deliberation.

<Kein Wissen ohne Gegengründe>: Wer zwar die Gründe für eine These
  kennt, aber nicht imstande ist, die Argumente der gegnerischen
  Seite zu widerlegen, oder nicht einmal weiß, worin sie bestehen,
  sollte keiner von beiden Meinungen den Vorzug geben und sich
  vernünftigerweise eines Urteils enthalten.  
    <- <Belehrung über Gegengründe>: Man kann die Gründe für und
      Einwände gegen seine Meinungen sowie deren Entkräftungen 
      sehr wohl ohne freie Diskussion einsehen, nämlich indem man
      über die relevanten Argumente belehrt wird.
        <- <Belehrung ohne Wucht>: Um die Einwände gegen seine
          Überzeugungen wirklich zu erkennen und deren Gewicht
          adäquat einschätzen zu können, muss man die "ganze Wucht
          der Schwierigkeiten fühlen", auf welche die eigene
          Ansicht trifft. Das setzt voraus, die Einwände in ihrer
          glaubwürdigsten und überzeugendsten Form kennenzulernen.
          Und dazu genügt es nicht, die gegnerischen Argumente von
          seinen eigenen Lehrern zu hören, stattdessen muss man sie
          von Personen hören, die tatsächlich an sie glauben, die
          sie im Ernst verteidigen und ihr Äußerstes dafür geben.
    <+ <Holismus-Argument>: Man überschaut nur dann die Erklärungs-
      und Rechtfertigungsbeziehungen in seinem Überzeugungssystem,
      man erkennt nur dann, dass Tatsachen, die sich dem Anschein
      nach widersprechen, miteinander vereinbar sind, und man sieht
      nur dann, dass von zwei scheinbar gleich starken Gründen dem
      einen und nicht dem anderen der Vorzug zu geben ist, wenn man
      neben den Gründen auch die Einwände gegen eine These und
      deren Entkräftungen kennt. Das setzt voraus, sich beiden
      Seiten gleichermaßen und unparteiisch zuzuwenden.
Argument Map n0 Argument geistiger Vervollkommnung n1 Erkenntnis durch Belehrung Man kann die Gründe seiner Meinung sehr wohl ohne freie Diskussion einsehen, nämlich indem man über die relevanten Gründe belehrt wird. n1->n0 n2 Geometrie Man erwirbt Wissen über geometrische Sachverhalte, indem man die Beweise studiert, ohne eine Gegenposition frei und kontrovers zu diskutieren. n2->n1 n3 Sonderfall Mathematik Bei der Mathematik handelt es sich um einen Sonderfall, insofern es praktisch keine Einwände, sondern nur Beweise gibt. Bereits in den Naturwissenschaften muss man Pro- und Kontra- Gründe zur Kenntnis nehmen und abwägen; erst recht gilt dies für jede praktische Deliberation. n3->n2 n4 Kein Wissen ohne Gegengründe Wer zwar die Gründe für eine These kennt, aber nicht imstande ist, die Argumente der gegnerischen Seite zu widerlegen, oder nicht einmal weiß, worin sie bestehen, sollte keiner von beiden Meinungen den Vorzug geben und sich vernünftigerweise eines Urteils enthalten. n5 Belehrung über Gegengründe Man kann die Gründe für und Einwände gegen seine Meinungen sowie deren Entkräftungen sehr wohl ohne freie Diskussion einsehen, nämlich indem man über die relevanten Argumente belehrt wird. n5->n4 n6 Belehrung ohne Wucht Um die Einwände gegen seine Überzeugungen wirklich zu erkennen und deren Gewicht adäquat einschätzen zu können, muss man die "ganze Wucht der Schwierigkeiten fühlen", auf welche die eigene Ansicht trifft. Das setzt voraus, die Einwände in ihrer glaubwürdigsten und überzeugendsten Form kennenzulernen. Und dazu genügt es nicht, die gegnerischen Argumente von seinen eigenen Lehrern zu hören, stattdessen muss man sie von Personen hören, die tatsächlich an sie glauben, die sie im Ernst verteidigen und ihr Äußerstes dafür geben. n6->n5 n7 Holismus-Argument Man überschaut nur dann die Erklärungs- und Rechtfertigungsbeziehungen in seinem Überzeugungssystem, man erkennt nur dann, dass Tatsachen, die sich dem Anschein nach widersprechen, miteinander vereinbar sind, und man sieht nur dann, dass von zwei scheinbar gleich starken Gründen dem einen und nicht dem anderen der Vorzug zu geben ist, wenn man neben den Gründen auch die Einwände gegen eine These und deren Entkräftungen kennt. Das setzt voraus, sich beiden Seiten gleichermaßen und unparteiisch zuzuwenden. n7->n4

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