Argumentationsanalyse

Tafel 3.32: Dialektische Struktur der Verteidigung der Annahme allgemeiner Gesetze bürgerlich-rechtlicher Art

Kapitel 3 Gründehierarchie Argumentkarte
[Aufhebung und Zurückweisung]
  <+ <Zentrale Entscheidungsbegründung>
    <+ [Allgemeine Gesetze im LGUrteil]
      /* notwendige Bedingung der zuvor genannten These: */
      +> [Allgemeine Gesetze privatrechtlicher Art] /* (GS4) */
        <- <Experten-Argument>: In der rechtswissenschaftlichen
          Literatur werden Normen des bürgerlichen Rechts bisher
          nicht als "allgemeine Gesetze" im Sinne des Art. 5
          Abs. 2 GG anerkennt. (¶38)
          <- <Falsche Voraussetzung der Literatur>: In der
            Literatur hat man die Grundrechte bisher – und entgegen
            der hier vertretenen These der @[Grundrechte als
            objektive Wertordnung] – lediglich in ihrer Wirkung
            zwischen Bürger und Staat gesehen, so dass folgerichtig
            als einschränkende allgemeine Gesetze nur solche in
            Betracht kamen, die staatliches Handeln gegenüber dem
            Einzelnen regeln, also Gesetze öffentlich-rechtlichen
            Charakters. (¶38)
        <+ <Symmetrie-Argument>: Wenn aber das Grundrecht der
          freien Meinungsäußerung auch in den Privatrechtsverkehr
          hineinwirkt und sein Gewicht sich hier zugunsten der
          Zulässigkeit einer Meinungsäußerung auch dem einzelnen
          Mitbürger gegenüber geltend macht, so muss auf der anderen
          Seite auch die das Grundrecht unter Umständen
          beschränkende Gegenwirkung einer privatrechtlichen Norm,
          soweit sie höhere Rechtsgüter zu schützen bestimmt ist,
          beachtet werden. (¶38)
          <+ <Sinn der Bindung der Rechtsprechung an Grundrechte>
        <- <Gefährdung der Diskursfreiheit>: Durch eine
          zivilrechtliche Beschränkung der Redefreiheit könnte
          einem Einzelnen gegenüber die Gefahr heraufgeführt
          werden, der Bürger werde in der Möglichkeit, durch seine
          Meinung in der Öffentlichkeit zu wirken, allzusehr beengt           und die unerlässliche Freiheit der öffentlichen Erörterung
          gemeinschaftswichtiger Fragen sei nicht mehr
          gewährleistet. (¶39)
          <- <Sicherung Diskursfreiheit durch Drittwirkung>: Um
            der Gefährdung der Diskursfreiheit durch zivilrechtliche
            Beschränkung der Redefreiheit zu begegnen, ist es nicht
            erforderlich, das bürgerliche Recht aus der Reihe der
            allgemeinen Gesetze schlechthin auszuscheiden. Es muss
            nur auch hier der freiheitliche Gehalt des auf das
            Zivilrecht einwirkenden Grundrechts entschieden
            festgehalten werden.  (¶39)
            <+ <Besonders starke Grundrechte-Einwirkung>
Argument Map n0 Aufhebung und Zurückweisung n1 Allgemeine Gesetze im LGUrteil n2 Allgemeine Gesetze privatrechtlicher Art n1->n2 n3 Zentrale Entscheidungsbegründung n1->n3 n3->n0 n4 Experten-Argument In der rechtswissenschaftlichen Literatur werden Normen des bürgerlichen Rechts bisher nicht als "allgemeine Gesetze" im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG anerkennt. (¶38) n4->n2 n5 Falsche Voraussetzung der Literatur In der Literatur hat man die Grundrechte bisher – und entgegen der hier vertretenen These der @[Grundrechte als objektive Wertordnung] – lediglich in ihrer Wirkung zwischen Bürger und Staat gesehen, so dass folgerichtig als einschränkende allgemeine Gesetze nur solche in Betracht kamen, die staatliches Handeln gegenüber dem Einzelnen regeln, also Gesetze öffentlich-rechtlichen Charakters. (¶38) n5->n4 n6 Symmetrie-Argument Wenn aber das Grundrecht der freien Meinungsäußerung auch in den Privatrechtsverkehr hineinwirkt und sein Gewicht sich hier zugunsten der Zulässigkeit einer Meinungsäußerung auch dem einzelnen Mitbürger gegenüber geltend macht, so muss auf der anderen Seite auch die das Grundrecht unter Umständen beschränkende Gegenwirkung einer privatrechtlichen Norm, soweit sie höhere Rechtsgüter zu schützen bestimmt ist, beachtet werden. (¶38) n6->n2 n7 Sinn der Bindung der Rechtsprechung an Grundrechte n7->n6 n8 Gefährdung der Diskursfreiheit Durch eine zivilrechtliche Beschränkung der Redefreiheit könnte einem Einzelnen gegenüber die Gefahr heraufgeführt werden, der Bürger werde in der Möglichkeit, durch seine Meinung in der Öffentlichkeit zu wirken, allzusehr beengt           und die unerlässliche Freiheit der öffentlichen Erörterung gemeinschaftswichtiger Fragen sei nicht mehr gewährleistet. (¶39) n8->n2 n9 Sicherung Diskursfreiheit durch Drittwirkung Um der Gefährdung der Diskursfreiheit durch zivilrechtliche Beschränkung der Redefreiheit zu begegnen, ist es nicht erforderlich, das bürgerliche Recht aus der Reihe der allgemeinen Gesetze schlechthin auszuscheiden. Es muss nur auch hier der freiheitliche Gehalt des auf das Zivilrecht einwirkenden Grundrechts entschieden festgehalten werden. (¶39) n9->n8 n10 Besonders starke Grundrechte-Einwirkung n10->n9

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